Neuropädiatrie
Im Verbund mit der Stoffwechselmedizin arbeiten wir eng mit anderen Fachabteilungen der Hochschule wie zum Beispiel der Neuroradiologie, der Neurophysiologie, der Neurochirurgie und dem Institut für Humangenetik zusammen. Wichtig ist uns die Kooperation mit den wohnortnah betreuenden Kinderärzten. Die Kinder und Jugendlichen werden bei uns möglichst ambulant behandelt. Bei schweren akuten Erkrankungen oder für umfassende Diagnostik kann ein stationärer Aufenthalt erforderlich werden, in dem das Kind multidisziplinär versorgt wird. Die Epilepsieambulanz ist zertifiziert durch die Deutsche Gesellschaft für Epileptologie (www.dgfe.org). Für Patienten mit tuberöser Sklerose haben wir gemeinsam mit weiteren Kliniken der MHH und dem SPZ Hannover das Tuberöse Sklerose (TSC)-Zentrum Hannover gegründet, das von der TSC Deutschland e.V. (www.tsdev.org) zertifiziert ist. Wir sind zudem Teil des von der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke (www.dgm.org) zertifizierten neuromuskulären Zentrums Hannover.
Technische Untersuchungen
Bei vielen Erkrankungen des zentralen Nervensystems sind zur genauen Diagnosestellung Elektroenzephalographien (EEG) wichtig, insbesondere bei Epilepsien. Diese Untersuchungen sind für die Kinder nicht schmerzhaft und können sowohl allgemeine als auch umschriebene Hirnfunktionsstörungen aufzeigen. Darüber hinaus führen wir weitere neurophysiologische Untersuchungen wie Elektroneurographien durch.
Krankheitsbilder
Anfälle und Epilepsien: Etwa 5% aller Kinder erleben vor dem 10. Lebensjahr mindestens einen zerebralen Anfall, etwa 0.6% entwickeln eine Epilepsie (Anfallskrankheit) mit wiederholten Anfällen. Während bei einem einzelnen Gelegenheitsanfall wie zum Beispiel einem Fieberkrampf in der Regel keine weiteren Untersuchungen oder Behandlungen erforderlich sind, ist bei wiederholten Anfällen die genaue Diagnose einer Epilepsie zur Steuerung der Therapie wichtig. Hierbei sind Elektroenzephalographie (EEG), bildgebende Untersuchungen vom Gehirn (MRT) oder Laboruntersuchungen hilfreich, die ambulant oder stationär durchgeführt werden können.
Entwicklungsverzögerungen oder –störungen: Motorische, sprachliche oder geistige Entwicklungsverzögerungen / bzw. –störungen können auf unterschiedlichen Ursachen beruhen. Diese umfassen z.B. Fehlbildungen, vorgeburtliche Informationen oder angeborene Stoffwechselerkrankungen. Um einen möglichst guten Behandlungsvorschlag machen zu können, bemühen wir uns in Zusammenarbeit mit anderen Spezialisten der Klinik um eine exakte ursächliche Zuordnung.
Neuromuskuläre Erkrankungen: Wir bieten eine Sprechstunde für Muskelerkrankungen und Neuropathien an, als Teil des zertifizierten Muskelzentrums Hannover. In Kooperation mit u.a. der Kinderchirurgie, der Kinderkardiologie, der Humangenetik und der Neuropathologie bemühen wir uns um die Diagnostik, in Kooperation mit dem sozialpädiatrischen Zentrum Hannover bieten wir ein multidisziplinäres Behandlungskonzept für die betroffenen Patienten. Auch halten wir bedarfsweise einen engen Kontakt mit behandelnden Therapeuten (z.B. aus der Physiotherapie) und können zur Hilfsmittelversorgung beraten. Seit 2021 werden alle Neugeborene in Deutschland im Rahmen des sogenannten Screenings auf spinale Muskelatrophie untersucht. Bei einem auffälligen Befund werden die weiteren Untersuchungen und gegebenenfalls Behandlungen bei uns angeboten.
Bewegungsstörungen: Eine häufige Ursache für Bewegungsstörungen im Kindes- und Jugendalter sind die sogenannten Cerebralparesen, die durch eine Schädigung des Gehirns um den Geburtszeitraum herum entstehen. Meist fallen die Kinder durch eine motorische Entwicklungsverzögerung auf. Dabei ist aber auch die Bewegungsqualität auffällig. Bewegungsstörungen wie Ataxien, Dystonien, Chorea können aber auch auf dem Boden einer angeborenen Stoffwechselerkrankung oder genetischen Erkrankung erst im Verlauf des Kindes- und Jugendalters nach anfänglich unauffälligem Entwicklungsverlauf entstehen. Zur klaren Zuordnung der Bewegungsstörung ist häufig ausführliche Diagnostik erforderlich, als Basis für die Behandlung.
Akut und chronisch entzündliche Erkrankungen des Nervensystems: Akute Erkrankungen des zentralen Nervensystems wie Hirnhautentzündung (Meningitis) und Gehirnentzündung (Encephalitis) sind Notfälle, bei denen sofort die optimale Behandlung eingeleitet werden muss. Aber auch chronisch entzündliche Erkrankungen wie Multiple Sklerose, eine isolierte Entzündung des Sehnervs (Opticus neuritis) oder die Neuromyelitis optica sowie auch akute Nervenentzündungen (z.B.Guillain-Barré-Syndrom) bedürfen einer raschen Diagnostik und Therapie.
Angeborene Fehlbildungen des Nervensystems: Leider werden manche Kinder mit einer Fehlbildung des Nervensystems geboren, zum Beispiel einem offenen Rücken (Spina bifida) oder einem Hydrocephalus. Nach Abschluss der ersten in der Regel chirurgischen Behandlung sehen wir die Kinder in enger Abstimmung mit den Neurochirurgen, den Kinderchirurgen und Kindernierenspezialisten regelmässig ambulant, um Probleme möglichst frühzeitig zu erkennen.
Neurologische Komplikationen: Die MHH ist ein Zentrum für schwerst erkrankte Patienten, auch im Kinder- und Jugendalter. Bei vielen dieser Erkrankungen wie z.B. Nieren- oder Leberversagen, angeborenen Herzerkrankungen oder Krebserkrankungen, treten im Rahmen der Erkrankung und Therapie neurologische Begleiterkrankungen auf. Unser Team wird zur Diagnostik und Therapie hinzugezogen.
Forschung
An der Medizinischen Hochschule Hannover werden Kinder mit verschiedenen schweren Erkrankungen behandelt. In verschiedenen Projekten untersuchen wir den Einfluss dieser Erkrankungen auf die neurologische, psychische und sozio-emotionale Entwicklung der Kinder. In Zusammenarbeit mit der Stoffwechselmedizin untersuchen wir die Behandlungsoptionen für Kinder mit metabolischen Enzephalopathien wie z.B. der Vitamin B6-abhängigen Epilepsie. Hierzu bestehen auch langjährige internationale Kooperationen u.a. Kollegen der Medizinischen Universität Graz (Österreich) und der University of British Columbia (Canada).
Bei therapieschwierigen Epilepsien werden heute neben Medikamenten auch komplementäre Therapien eingesetzt. Den Einfluss einer ketogenen Diät auf die Epilepsie und den Stoffwechsel der Kinder untersuchen wir in einer gemeinsamen Studie mit den Kollegen des Kinder- und Jugendkrankenhauses Auf der Bult (gefördert durch die Appenrodt Stiftung). Auch zum natürlichen Verlauf und Therapien zur Tuberösen Sklerose sind wir an multizentrischen Studien beteiligt.
Für die spinale Muskelatrophie wurden in den letzten Jahren neue gentechnische Behandlungen entwickelt und zugelassen. Wir sind an einer vom Gemeinsamen Bundesausschuss vorgesehenen Nachzulassungsstudie für die Genersatztherapie beteiligt, mit der Erfolge und Risiken der Behandlungen bewertet werden sollen (https://www.smartcare.de). Zu Effekten der Genersatztherapie auf zellulärer und metabolischer Ebene arbeiten wir mit anderen Gruppen der MHH und der Arbeitsgruppe von Prof. Peter Claus (SMATHERIA) zusammen.